„Wie Du kennst Mola nicht,“ kichert mein Gegenüber. „Ne, kenne ich nicht. Müsste ich?“, frage ich dümmlich. „Und Buko“, hakt er nach, „Buko sagt dir dann auch nichts? Da schreibst du solche Bücher und kennst Mola und Buko nicht, unglaublich!“ Ich unterdrücke ein Augenrollen und bin kurz davor zu gähnen. „Klär mich auf“, bitte ich freundlich. „Mola“, giggelt er und seine Frau giggelt jetzt mit, „ist die Morgenlatte und Buko der Beischlafutensilienkoffer“. Jetzt entgleisen mir die Gesichtszüge. Morgenlatte und Beischlafutensilienkoffer. Ich fasse es nicht. Wie alt seid ihr nochmal, denke ich und habe Bilder im Kopf, die ich vermutlich so schnell nicht mehr loswerde. Mist!
Letzten Endes ist es mir aber auch Latte, ob der Kerl eine Morgenlatte hat oder nicht und wie viel Beischlafutensilien die beiden verwenden, um einen Koffer zu füllen. Viel irritierender finde ich, dass ein Mann in diesem Alter bei jeder sich bietenden Gelegenheit anzügliche Äußerungen von sich gibt. Ich bin nicht prüde, aber dieses Geschwätz ist mir peinlich. Warum eigentlich, frage ich mich? Eindeutig zweideutig in vertrauter Runde liebe ich doch sonst auch? Und warum ist das Alter ein Thema? Vielleicht weil es zu viel des Guten ist? Weil es offensichtlich ist, dass die beiden kein Sexleben haben? Weil es etwas Verzweifeltes hat? Aus den Anspielungen wurde zumindest deutlich, dass er gerne mehr Sex hätte, sie es nur im Dunkeln macht und Sex offensichtlich nur als Gegenleistung für etwas anderes stattfindet. Will ich das wissen? Nein.
Wieso tragen Paare ihre privaten Themen eigentlich in der Öffentlichkeit aus? Paarberater Krieg[1] ist der Ansicht, dass der öffentliche Streit auch ein Hilferuf sein kann. Im Sinne von „Ich mache das jetzt publik, bitte verteidigt mich mit“. Manche nutzen die Öffentlichkeit aber auch als Forum um den Partner vorzuführen. Nach dem Motto „Seht ihr das nicht auch so?“ sollen die Zeugen Jury oder gar Strafgericht spielen. Oder das Thema kommt einfach gerade jetzt aufs Tablett und die Gelegenheit macht Kriege – manche Konflikte entstehen eben nicht zu Hause, sondern anderswo, bei uns. Also beiße in die Tischkante, sage nichts und hoffe, dass der Abend ein schnelles Ende nimmt.
Fremdgehen als Lösung?
Im Prinzip ist er für mich ein klassischer Kandidat fürs Fremdgehen. Mit so viel Druck auf der Leitung würde ich wahrscheinlich auch unleidig werden. Mal wieder so richtig vögeln, das wäre es vermutlich. Wäre er dann entspannter, frage ich mich? Wahrscheinlich. Oder er kommt dann erst recht auf den Geschmack und es wird alles noch viel schlimmer? Wie wir wissen, ist fremdgehen auch nicht der Weisheit letzter Schluss. Mein Coach würde sagen, fremdgehen ist ein anerkennenswerter Versuch das „Kein-Sex-Problem“ zu lösen. Die Frage ist jedoch wie hilfreich ist dieser Lösungsversuch und welche Auswirkungen hat er? Womit wir vermutlich am Kern des Ganzen sind. Er würde nicht fremdgehen, weil er weiß, was auf dem Spiel steht. Sie ist einfach eine tolle Frau und die gilt es nicht zu verlieren. Im Umkehrschluss heißt das dann für ihn auf Sex zu verzichten oder aber die Leidenschaft neu zu entfachen. Vermutlich arbeitet er an Letzterem. Ziemlich ungeschickt aus meiner Sicht. „Wie entfacht man Leidenschaft neu?“, frage ich mich.
Manchmal ist ein Punkt überschritten, so dass es scheinbar kein Zurück gibt. Warum sollte man nach so langer Zeit ohne Sex plötzlich wieder Sex haben? Wer fängt an und wie? Und wenn man ganz ehrlich ist, es geht doch auch ohne. Erst kürzlich haben wir mit einer Frau gesprochen, die nach 10 Jahren Abstinenz die Reisleine gezogen und sich von ihrem Mann getrennt hat. Als sie ging, sagte er zu ihr, dass er sich vor ihr ekelte und sich nicht mehr vorstellen konnte, sie anzufassen. Harte Worte. Wann fängt es an, dass das Begehren nachlässt? Warum kommt das erst nach der Trennung auf den Tisch? Fällt das denn nicht früher auf?
Paare, die so lange keinen Sex mehr hatten – wofür es sicherlich viele Gründe geben kann – stellen häufiger die Frage, wie man das Sexleben wieder aufleben lassen kann. Wir haben uns von vielen Methoden erzählen lassen. Manchmal funktioniert es, manchmal nicht. Auch in diesem Fall kann es durchaus sinnvoll sein, mit einem Paartherapeuten zu sprechen. Wenn aber einer von beiden der Ansicht ist, das braucht es nicht, was dann?
Love it. Change it. Leave it. Stay unhappy.
Wenn wir mit unseren Kunden das Thema Konflikt bearbeiten, ernten wir häufig Unverständnis bei der Erläuterung, dass ein Konflikt auch dann ein Konflikt ist, wenn nur eine Partei der Ansicht ist, hier läuft was schief. Wenn Sie also glaubt, alles ist gut – um bei meinem oben erwähnten Paar zu bleiben – warum sollte sich dann etwas ändern? Manche Menschen glauben, wenn sie nur lange genug nerven, erreichen sie ihr Ziel schon. Wenn er also lange genug nörgelt, wird sie schon irgendwann einsichtig. Nö. Wird sie wahrscheinlich nicht. Menschen verändern sich nicht, weil wir das wollen. Menschen verändern sich nur, wenn sie für sich einen Sinn in der Veränderung erkennen. Also müsste er nur überzeugend argumentieren und schon klappt es? Ne, so auch nicht. Manchmal helfen die motiviertesten Worte nicht. Eine englische Lebensweisheit sagt „Love it, change it, leave it“[2]. Gemeint ist damit, wenn dir im Leben etwas nicht gefällt, dann verändere die Situation (change it), lerne, die Sache zu lieben (love it) oder verlasse die Situation (leave it). Wir fügen gerne ein „stay unhappy“ dazu, weil wir häufig mit Menschen sprechen, die vermeintlich alles versucht haben, aber nichts führte zum Erfolg. Nur haben sie eben nicht alles versucht. Die meisten scheuen sich vor „leave it“. Hier muss man ja eine Entscheidung treffen.
Irgendwann meinte der Gute mal, dass er seinen inneren Frieden geschlossen hätte. Sex wäre überbewertet. Erleichtert haben wir aufgeatmet. Schluss mit dem unangenehmen Gequatsche. Unglücklicherweise war das aber nicht von Dauer. Sex ist doch von Bedeutung. Der Ansicht bin ich ja auch, aber muss man das bei jeder Gelegenheit kundtun? Ich finde nicht. Vielleicht sage ich doch mal was.
Übrigens: Heute weiß die Wissenschaft: Der einzige Grund für Männer, monogam zu leben, ist, dass sie erkennen, dass auf Dauer Liebe, Freundschaft, gebügelte Hemden und geschmierte Stullen doch wichtiger sind als Sex.[3] Na, da haben wir doch den Grund, warum der Gute nicht fremdgeht. Jetzt muss er nur noch das mit dem „weniger Sex“ akzeptieren.
[1] Warum manche in der Öffentlichkeit streiten müssen, welt.de, 27.01.2014, Ischta Lehmann, aufgerufen 21.06.2022
[2] modernmind.de, Love it, change it, leave it, aufgerufen am 21.06.2022
[3] Und es gibt doch mehr als einen Grund, warum Männer fremdgehen, BZ-berlin.de, 04.11.202, aufgerufen am 20.06.2022