Ich will ihn wieder haben
„Wie geht es eigentlich deiner Schwester?“, frage ich eine meiner Motorradmädels. „Gut“, meint sie. Das ist doch prima, denke ich und bin etwas überrascht. Das ging ja schnell. Die Schwester wurde von ihrem Mann betrogen. Mein letzer Stand war, dass der Gute ausziehen wollte und sich das Ganze ganz schön in die Länge zog. Folglich, so vermute ich, hat er es jetzt endlich geschafft, sich zu verdünnisieren und die Schwester lebt ihr Leben. Sicherheitshalber frage ich aber nach. Berufskrankheit. „Ne, ausgezogen ist er nicht“, meint sie. „Aha?! Aber es geht ihr gut?“ „Nun, sie hat ein Ziel.“. Cool denke ich und frage nach dem Ziel. „Sie will ihn wieder haben“. What???? Ich gucke sie mit offenem Mund an und bin sprachlos. „Sie will ihn wiederhaben? Das ist jetzt ihr Ziel?“ „Jepp“, sagt sie und ich sacke leicht in mich zusammen.
Vorsicht vor unseriösen Ratgebern
Das Internet ist voll von guten Ratschlägen, wie man seinen Ex-Partner oder seine Ex-Partnerin zurückgewinnt. Besonders schön finde ich „12 unschlagbare Tricks“ oder „30 unglaublich wirkungsvolle Tipps“ oder „10 einfache Ex-zurück-Tipps“. Gute Güte. Und besonders wertvoll: „Der große Ex-Zurück Vergleich 2022“. Dort wird versprochen, dass bei Einhaltung der Strategie die Chance, den Ex-Partner oder die Ex-Partnerin zurückzugewinnen bei 95% liegt. Wir verzichten an dieser Stelle auf Links zu verweisen, weil wir das Ganze einfach unfassbar unseriös finden.
Was tun, wenn einer a will und der andere aber b?
Wie haben festgestellt, dass manche Frauen recht einfallsreich werden, wenn es darum geht, ihren Fremdgänger zurückzugewinnen. Da gibt es die, die ihren Kerl mit Nachrichten, Anrufen und Mails bombardieren, um ihn zu überzeugen, dass er gerade einen Riesenfehler macht, die Trulla null zu ihm passt und er geradewegs ins Verderben rennt. Oder die besagte Schwester, die ihren Mann mit Argumenten zu überreden versucht, ihr doch eine zweite Chance einzuräumen und ihn mit ihren Liebesbekundungen überhäuft. Eifersüchtig machen ist auch gerne gesehen. Wie Du mir, so ich Dir und schwupp wird der Nächstbeste flachgelegt, in der Hoffnung, dass der Fremdgänger eifersüchtig wird, erkennt, was ihm entgeht und umgehend wieder auf der Matte steht. Eine weitere Strategie: akzeptieren, abwarten und genau in dem Moment für den Ex da sein, wenn die rosarote Brille ihre Farbe verliert und die Einsicht kommt, dass das alles ein riesiger Fehler war. Wir würden nichts davon empfehlen.
Die Krux am Zurückgewinnen ist: dazu gehören immer zwei.
Der eine, der zurückgewinnen will und der andere, der zurückgewonnen werden soll. Für mich war ab dem Zeitpunkt das Thema „zurückgewinnen“ gegessen, als ich ihn fragte, was ich meinen Eltern erzählen soll. Als er sagte, dass die Trennung nicht „auf Zeit“ sondern „ganz“ sei, habe ich entschieden, dass es dann Zeit für ihn wäre,das Haus zu verlassen. Ganz. Für mich war klar, er hat diese Entscheidung getroffen, ich werde damit leben müssen. Ganz. So muss sich ein Hase vorkommen, wenn er des Nachts einen LKW direkt auf sich zufahren sieht und unfähig ist, weg zu hoppeln. Der Geist ist stark, aber der Körper verweigert jede Aktion.
Aus dieser Quasi-Lähmung bin ich erst aufgewacht, als mich jemand fragte, ob ich ihn überhaupt zurückhaben will. In meiner Schockstarre hatte ich eher darüber nachgedacht, was passieren muss, damit er zurückkommt. Dass ich im driver seat saß, war mir gar nicht bewusst? Aber das ist es. Wenn der erste Schock erstmal verdaut ist, dann gilt es zu prüfen, was man selbst eigentlich will. Eine Möglichkeit könnte in der Tat sein, dass man das Zusammenkommen mit dem Fremdgänger wieder in Betracht zieht. Aber das ist eben nur eine Möglichkeit von vielen anderen.
Hoffe nicht, dann hat das Schicksal keine Macht über dich.
Das Interessante daran ist, dass das Umfeld sich sehr dafür zu interessieren scheint, ob man den Fremdgeher zurücknehmen würde, wenn dieser zur Einsicht käme. Wollen sie dich leiden sehen, denken sie vielleicht laut, wie sie selbst damit umgehen würden oder einfach nur sichergehen, dass der Täter seine gerechte Strafe erhält? Ich habe es einfach nicht verstanden. Irgendwann hat mich diese Frage nur noch genervt. Sie war einfach nicht relevant. Er hatte sich entschieden. Die Dinge waren geklärt. Warum also sollte ich auch nur einen Gedanken an „Was wäre wenn” verschwenden? Damit lasse ich doch nur zu, dass es mir noch mehr weh tut. Aber das Wichtigste war, es konnte nichts Neues entstehen. Dabei fällt mir wieder Charifis Zitat ein “Hoffe nicht, dann hat das Schicksal keine Macht über dich.”
„Ich will ihn zurückhaben“ ist kein Ziel, das ich allein erreichen kann
Für uns, die wir im Coaching mit Zielen arbeiten, müssen Ziele in erster Linie SMART sein. Von SMARTen Zielen haben vermutlich die meisten schon gehört. Was aber noch viel wichtiger ist. Die Ziele sollen so formuliert sein, dass ich sie unabhängig von anderen Menschen oder äußeren Umständen erreichen kann. „Ich will ihn wiederhaben“, ist also kein Ziel, wie wir es formulieren würden. Wenn der Typ nicht mitspielt, spielt er nicht mit. Wir können den Ex ja nicht zwingen, wieder mit uns zusammen zu sein. Mein Coach würde fragen, ob der Mann nein sagen darf. So ärgerlich das ist, er darf. Damit ist das Ziel „ich will ihn wiederhaben“ für mich allein nicht erreichbar. Wie also umformulieren? Dafür gibt es leider keine allgemeingültige Antwort. Die gilt es zu erarbeiten. Ich habe einige Wochen darüber gebrütet. Aber es hat sich gelohnt. Am Ende wusste ich, was mir wichtig ist und was ich wollte.
Häufig erleben wir in den Gesprächen mit Frauen, die „ganz frisch betrogen wurden“, dass sie das Ganze nicht wahrhaben wollen. Dass doch alles gut war. Und es soll doch bitte alles wieder so werden wie es war. Soll es das? Anne hatte damals eine coole Idee. Sie wollte verstehen, ob ihre Ehe wirklich so glücklich war und hat das Ganze mal analysiert. Mit Block und Stift bewaffnet hat sie ihre persönliche Ehe-Reise aufgezeichnet. Die horizontale Achse symbolisierte die Zeit, seit der sie ihre Ehe führte, die vertikale Achse stand für ihr Glücklichsein. Wichtige Ereignisse, wie die Geburt der Kinder oder den Tod eines Elternteils, Jobwechsel, Umzüge trug sie dann entsprechend ein und verband die Ereignisse. Es war ein auf und ab und sie erkannte ein Muster.
Vielleicht probierst du das auch einfach mal aus. Wie glücklich war/ist deine Beziehung? Und würdest du sie genauso wieder haben wollen oder müsste sie anders sein? Über solche „Übungen“ kommst du deinem Ziel näher.